Dabei konnten bis zu diesem Zeitpunkt nur wenige Roma der Sklaverei im Balkangebiet überhaupt entkommen. Die Situation der meisten blieb bis weit ins 19. Jahrhundert unverändert. Während die europäischen Aufklärer den Sklavenhandel in Amerika anprangerten, wurden vor der eigenen europäischen Haustür Hunderttausende. Roma in Sklaverei gehalten, vor allem in den verschiedenen Provinzen Rumäniens und Bulgariens- erst 1864 wurde die Sklaverei durch ein Gesetz endgültig abgeschafft. Die Roma wurden vor die Wahl des kleineren Übels gestellt: Dort zu bleiben, wo sie waren, ohne Besitz, ohne Bildung, ohne Beruf und den jahrhundertealten Vorurteilen der Bevölkerung ausgesetzt, einer de facto Sklaverei also oder wegzuziehen- aber wohin? In ein fremdes Land, um das eigene Glück zu probieren, um Gelegenheitsarbeiten zu übernehmen oder um ein Existenzminimum zu betteln?
Viele wählten den zweiten Weg: Sie zogen weg, und ihr Schicksal ähnelte dem der geflohenen Roma-Sklaven, die einige Jahrhunderte zuvor nach Mitteleuropa kamen. Sie wurden ausgegrenzt; das Recht, sich niederzulassen, wurde ihnen verweigert. Beruflich durften sie sich nur eingeschränkt betätigen. Bettelten ihre Kinder um ein Stück Brot, dann galten sie sofort als unerwünscht, als Krimmeile, und wurden wieder auf den Weg geschickt, vertrieben und abgeschoben. Aus befreiten Sklaven waren Heimatlose geworden, die durch die Länder Europas zogen, nicht aus einem angeborenen Wandertrieb, sondern weil niemand bereit war, sie aufzunehmen.
Gegen diese neue Welle von Romaflüchtlingen richteten sich erneut Erlasse und Verordnungen. 1899 wurde in München eine zentrale Polizeidienststelle gegründet, deren Aufgabe ausschließlich die Überwachung von Roma war. 1926 wurde in Bayern das Gesetz „zur Bekämpfung der Zigeuner, Landfahrer und Arbeitsscheuen“ erlassen.
Dieses Gesetz sollte es ermöglichen, Sinti, die, die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen, für eine gewisse Zeit in so genannten „Arbeitshäusern“ einzusperren und ihre Kinder zwangsweise in Kinderheime einzuweisen. Ausländische und staatenlose Roma sollten nach dem Gesetz sofort abgeschoben werden. So begannen die Behörden, zwischen „inländischen“ und „ausländischen“ Roma zu unterscheiden, um den Zuzug der heimatlosen Romaflüchtlinge zu unterbinden.